Choose your battles – mein Jahresrückblick 2019

Was für ein Jahr.

Wirklich noch nie war ich so platt von einem Jahr und den Ereignissen, die es mit sich gebracht hat.

Vor einigen Tagen postete ich dazu ein Foto auf meinem Instagram Kanal und noch immer habe ich das Gefühl, dass ich mich nur erholen möchte.

Ganz viel schlafen, rumliegen, reflektieren, meditieren.

Für mich gab es dieses Jahr einen großen Neuanfang, ein neues Buch und neue berufliche Herausforderungen mit denen ich niemals gerechnet hätte.

Nachdem 2018 wohl mein größtes Learning darin bestand NEIN zu sagen, würde ich dieses Jahr unter das Motto stellen:

Choose your battles“

was wörtlich übersetzt soviel heißt wie „Wähle deine Kampfplätze“, oder etwas pragmatischer und pazifistischer umformuliert: „Setze Prioritäten und verwalte deine Energie mit Bedacht“.

Ich begann mein Jahr gemächlich mit einem wunderschönen Winteraufenthalt an der Ostsee, danach wurde es noch kälter als ich meinen Partner nach Island (-12 Grad) begleitete wo ich die Premiere seines ersten Orchesterstücks erleben durfte, dass vom Iceland Symphony Orchestra uraufgeführt wurde.

Eine Woche später erschien mein drittes Buch „Zero Waste Küche“ und auf die wunderbare Release Veranstaltung in Berlin folgten in den nächsten Monaten Lesungen in München (ausverkauft), Hamburg (ausverkauft), Wien und Graz.

Das Buch, dieses absolute Herzensprojekt hielt mich das ganze Jahr auf Zack und nicht nur fand es bei den Leser*innen großen Anklang (momentan 3.Auflage), sondern mein Verlag und ich freuten uns auch über ein enormes Presse-Echo. Neben diversen TV- und Radio-Auftritten ( VOX, WDR, RBB, ARD Alpha, Ö1 Radio, Deutschlandradio, Radio Eins,…) gab ich gefühlte 100 Interviews für Printmedien, darunter sogar für internationale Formate ( Airmail, KCWR Radio)

Ich konnte mich als Expertin zum Thema Lebensmittelverschwendung etablieren und verbrachte so viel Zeit auf Podien und Bühnen wie nie zuvor.

International waren auch meine Ausflüge auf die Speaker*innen Bühne, neben Talks und Vorträgen auf der taz Konferenz, dem veganen Sommerfest Berlin und an der Hochschule in Hof sprach ich auf der Couraveg Konferenz in Portugal und bei der Food On The Edge Gastronomie Konferenz in Galway/ Irland, wo ich auch eine Masterclass zum Thema pflanzliche Küche halten durfte.

Als Jurymitglied durfte ich beim Deutschen Gastro-Gründerpreis sowie beim Next Organic Award teilhaben.

Im Herbst erhielten mein Team und ich die Silbermedaille der Gastronomischen Akademie Deutschlands für „Zero Waste Küche“ im Rahmen der Frankfurter Buchmesse.

Zusammen mit Nina Lorenzen und Melanie Hauke ( die auch die wunderbaren Trailer für mein Buch produziert haben) erhielt ich außerdem den Förderpreis der Bundesregierung „Zu Gut Für Die Tonne“ für ein Videoprojekt zum Thema Foodwaste, das wir 2020 umsetzen werden.

Das klingt doch schon mal nach ziemlich viel Action, oder?

Zudem hatte ich im Herbst 2018 eine zehnmonatige Weiterbildung am Biogourmetclub Köln begonnen, die ich im Sommer 2019 mit IHK-Zertifikat abschloss, ich bin nun „Fachfrau für Biogourmet-Ernährung“.

Im Rahmen der Weiterbildung musste ich nicht nur eine Facharbeit schreiben ( das Konzept für mein eigenes Restaurant), sondern auch ein einwöchiges Praktikum absolvieren.

Hierfür reiste ich nach Kopenhagen, wo ich im AMASS arbeitete, einem Fine Dining Restaurant, das eine Zero Waste Philosophie hat.

Doch die wohl wichtigste Veränderung meines Berufslebens begann schon im März.

Nachdem sich mein Wertekatalog 2018 enorm verschärft und ich gelernt hatte immer häufiger NEIN zu sagen, mussten neue berufliche Perspektiven her und so nahm ich das Angebot meines Freundes Peter in seinem Café Isla Coffee eineTeilzeitstelle als Köchin anzunehmen.

Unter der Küchenleitung der großartigen Mhairianne Mcleod habe ich seitdem unheimlich viel gelernt und so manch veganen Impuls in dem vegetarischen Kreislaufwirtschaft-Konzept unterbringen können.

Durch den 25-Stunden-Küchenjob und all die anderen Dinge, die ich weiter oben aufgezählt habe, so wie einen höchst erfreulichen Wachstumsschub, den das Unternehmen im Sommer erfahren durfte, stieß ich allerdings einige Male an meine physischen und psychischen Grenzen. Seit Herbst haben wir Team-Zuwachs bekommen und mittlerweile gebe ich nur noch alle 4 Wochen ein Interview statt 4 – 6 in einer Woche 🙂

Versteht mich nicht falsch, ich bin unfassbar dankbar für das Interesse an meiner Arbeit und meinem Aktivismus, aber auch mein Tag hat nur 24 Stunden und manchmal war ich einfach nur zum Umfallen müde.

Und dies bringt mich zurück zur Essenz des Jahres:

Sowohl in der Restaurantküche als auch in meinem restlichen Leben musste ich das ganze Jahr hindurch ständig Prioritäten setzen und mir sehr gut überlegen wo ich Energie einbringe und wo ich sie besser nicht verschwende. In welcher Reihenfolge ich Dinge erledige und Projekte umsetze. Welche Aufgaben ich selbst übernehme und welche ich delegieren oder absagen kann oder einfach absagen muss. Dies galt für berufliche und aktivistische Entscheidungen aber auch für Diskussionen auf Social Media. Ich habe nur ein gewisses Kontingent an Ressourcen und auch mein Körper zeigte mir immer wieder Grenzen auf (Erkältung im Urlaub, Überlastung des Handgelenks von der Arbeit, Augenentzündung) und ich versuche immer besser zuzuhören.

CHOOSE YOUR BATTLES.

Diese Projekte und Kooperationen möchte ich noch erwähnen:

Zusammen mit der Bio-Manufaktur Münchner Kindl Senf brachte ich meinen eigenen Senf auf den Markt, eine fruchtige Apfel-Meerettich-Kreation, die sogar Menschen mögen, die eigentlich keinen Senf mögen.

Zusammen mit dem Fair Fashion Label Folkdays entwarf ich eine zeitlose Picknickdecke, die sich wunderbar auch im Winter als Oversize Lieblingsschal Schal tragen lässt.

Ich durfte die Landwirtschafts-Genossenschaft Plantage mit praktischen Informationen in ihrem wöchentlichen Gemüsebrief und bei ihrem Crowdfunding unterstützen, selbst Genossin werden und einen Kochabend mit anderen Mitgliedern umsetzen.

Als Botschafterin für Fairtrade Deutschland durfte ich deren „Frauen stärken – Gender Special“ unterstützen.

An der OSZ Gastgewerbe Brillat Savarin durfte ich einen Workshop für Koch-Azubis zum Thema pflanzliche Küche/ Zero Waste halten.

Bei zwei Charity Dinnern für die Seenothilfe-Organisation Jugend Rettet e.V. sammelten wir 1600 € Spendengelder.

Als Unterstützerin der Petition #fairbylaw durfte ich mithelfen 154.000 Unterschriften zu sammeln um das Bundesministerium für Arbeit und Soziales dazu zu bewegen, die Gesetzgebung für mehr Unternehmensverantwortung in Herstellungsländern zu verschärfen.

Mit Extinction Rebellion habe ich ein Kochvideo gedreht.

Ich habe mir #metoo aufs linke Handgelenk tätowieren lassen, als Conversation Starter, nachdem mich ein NDR-Redakteur dieses Jahr gefragt hatte ob ich „glaube, dass Veganismus genauso ein Trend sei wie die MeToo-Bewegung“ (???!!!).

Smash the patriarchy.

Warum auf meinem Oberarm jetzt „Wehret den Anfängen“ steht, habe ich hier aufgeschrieben.

Okay, zugegebenermaßen wird mir grade selbst etwas schwindelig wenn ich dieses Resümee lese.

Wieviele Tage? 365?

Für 2020 lautet mein klares Ziel:

Mehr Pausen.

Mehr Platz.

Mehr Fokus.

Mehr Essen.

Mehr Berlinzeit.

Und – mein 40.Geburtstag sowie die Eröffnung meines eigenen Restaurants mit meiner Geschäftspartnerin Nina Petersen.

Stay tuned.

Und habt keine Angst.

Ich wünsche euch einen guten Rutsch und einen fantastischen Start ins neue Jahrzehnt,

Roaring Twenties, yeah!

Eure Sophia

Wer und was mich dieses Jahr noch inspiriert und erfreut hat:

Lesen:

Uneingeschränkt alle Bücher der großartigen Liv Strömqvist

Lvstprinzip von Theresa Lachner (in dem ich auch vorkomme!)

Die letzten Tage des Patriarchats von Margarete Stokowski

Starkes weiches Herz von Madeleine Alizadeh

Starting a Revolution von Naomi Ryland/ Lisa Jaspers

Die Kolumne Freie Radikale (SZ Magazin) der fantastischen Teresa Bücker

Die Kunst und der Instagram Kanal von Sophia Süßmilch

Heldinnen:

Jane Fonda

Lizzo

Please follow 2020:

Frau Gehlhaar

Klimaclara

Groschenphilosophin

Beste Reisebekanntschaften 2019:

Haile Thomas

Cristal Muniz

Beste Outfits:

Pyjama von Underprotection

Unterhemd und Menstruation Pants von Kora Mikino

Picknickdecke als Schal (Folkdays)

Beste Konzerte 2019:

Lizzo im Festsaal Kreuzberg

Amanda Palmer im Admiralspalast

Meine Lieblingsüberschrift eines meiner Interviews:

„Essiggurken sind ein total unterschätztes Produkt“ (Berlin Food Tipp Sonderheft)

Lieblingsrezept:

Brotlinge

Lieblingessen:

Hummus

Alles Fermentierte

dieses Tahini

jeden Tag einen Apfel

(vegane) Pizza, gerne bei Sotto oder La Stella Nera

TV/ Filme:

Rocketman

The Daily Show

Michelle Wolf: Joke Show

Grace & Frankie

RuPaul’s DragRace

Pose

BoJack Horseman

Was ich mir 2020 wünsche:

Klimagerechtigkeit

Entschleunigung.

Ich fang einfach selber schon mal an.