Warum ich keine Billigmode mehr kaufe!
Ich bin ein echtes 80er-Jahre-Bio-Kind. Was das bedeutet?
Meine Eltern waren schon damals Pioniere der Nachhaltigkeit und Fair Fashion kannte ich von kleinauf. Ich habe nur etwas länger gebraucht zu kapieren wie großartig und wichtig das ist. Warum erkläre ich euch hier…
Früher nannte man es „Second Hand“, heute heißt es „Vintage“.
Seit ich mich erinnern kann, habe ich gebrauchte Kleidung getragen. Als Kind fand ich es aufregend Klamotten von Bekannten- und Verwandten-Kindern vererbt zu bekommen. Das war immer ein bisschen wie Weihnachten und meistens waren tolle Sachen dabei. Auch Second-Hand-Geschäfte für Kindermode frequentierte ich mit meiner Mama regelmäßig.
Ich muss kurz ausholen und erwähnen, dass meine Eltern die nachhaltigsten Menschen sind, die ich kenne. Bei uns wurde immer alles gespart, aufgehoben, wiederverwertet und aufgebraucht.
Das nahm bisweilen extreme Züge an.
So kam es schon mal vor, dass ich im Herbst frierend im Wohnzimmer saß und die Heizung aufdrehen wollte, worauf meine Mutter riet:„Zieh dir halt einen warmen Wollpulli an, wir heizen doch im Oktober noch nicht ein!“ oder es beim Abendessen zum Eklat kam weil ich die Sparlampe über dem Esstisch entzündete, da ich mein Essen nicht mehr sehen konnte…
Meine Eltern speisen bis zum heutigen Tag im Dämmerlicht um Strom zu sparen.
Auch Lebensmittel wurden bei uns zuhause nie weggeschmissen. Das ging so weit, dass mein Vater demonstrativ die sauer gewordene Milch in großen Schlucken austrank, da er sich weigerte sie zu entsorgen.
Man muss in dem Zusammenhang erwähnen, dass meine Eltern beide während des 2.Weltkrieges geboren wurden und am eigenen Leib erlebt haben was es bedeutet nicht genug zu essen zu haben. Ein Gefühl, dass uns mitteleuropäischen Wohlstandskindern zum Glück fremd ist.
Ich schätze mich heute glücklich zu Achtsamkeit und bewusstem Konsum erzogen worden zu sein ohne selbst jemals Mangel gelitten zu haben.
Zurück zur Kleidung. Im Grunde habe ich zuhause all das mitbekommen, was Vivienne Westwood in ihrem berühmten Zitat auf den Punkt bringt:
„Buy less, choose well, make it last.“
Gebrauchte Kleidung weitergeben.
Bis heute habe ich tolle Einzelstücke von Mama, Papa, Bruder, Oma und Opa im Schrank, deren Qualität die Jahrzehnte problemlos überdauert hat.
Aber auch die eigene Kleidung gut pflegen und in Schuss halten habe ich zuhause gelernt.
Richtiges waschen, lagern und flicken gehörte dazu.
Meine Mutter stopft bis heute Socken, die meisten unter euch wissen wahrscheinlich gar nicht mehr was ein Stopfei ist?
Qualitativ hochwertige und fair hergestellte Kleidung zu kaufen war bei uns auch schon in den 1980er Jahren ein Thema. Versandhauskataloge von hess natur oder Waschbär studierte ich als Kind neugierig noch bevor es Online-Angebote oder den Begriff Ethical Fashion überhaupt gab.
Erst als Teenager wendete sich das Blatt.
Anti-Haltung zur elterlichen Erziehung. Konsum als Rebellion.
Zeitgleich eröffnete H&M seine erste Filiale in meiner Heimatstadt München.
Klar fanden meine Freundinnen und ich es super uns vom Taschengeld ordentlich viele Klamotten kaufen zu können!
Einige Jahre später stand ich in Großbritannien das erste Mal in einer Primark-Filliale und war begeistert. So viel Kram für so wenig Geld. Die Kette gab es damals noch nicht in Deutschland und ich hatte das Gefühl mit meinen Billig-Schnäppchen hierzulande auch noch als individueller Trendsetter durchzugehen. Den giftigen Geruch, der einen in diesen Läden in die Nase steigt, verdrängte ich und freute mich über 4 Sommerkleider für 20 Pfund.
Irgendwie war mir schon klar, dass das alles nicht ganz koscher sein konnte, aber ich schob die Bedenken einfach beiseite und gab mich dem Konsum hin.
Gerne vergleiche ich dieses Verhalten mit Fleischkonsum.
Nach einer sehr entschiedenen Vegetarier-Phase als Teenager fing ich mit Anfang 20 wieder an Fleisch zu essen und proklamierte: „Scheiß drauf, es schmeckt mir einfach zu gut!“.
Augen zu und durch.
Diese Verdrängungstaktik funktionierte in beiden Bereichen bis vor einigen Jahren ausgezeichnet. Bis ich beschloss mich der Wahrheit zu stellen und mir die eine oder andere Dokumentation zu kucken bzw. das eine oder andere Buch zu lesen.
Ich kann die Kids gut verstehen, die am Alexanderplatz mit vollgestopften Primark-Tüten in die U8 drängeln, sie sind im Kauf-Rausch und lassen sich mit ausgefrickelten Image-Kampagnen vorgaukeln sie hätten sich glücklicher geshoppt.
Stattdessen unterstützen Sie ein System, das andere Menschen ausbeutet und krank macht.
Das ist doch Scheiße! Aber wie können wir ihnen das erklären? Durch Aufklärung. An Schulen. In der Social Media. Im Modebereich.
Ein Sichtbar Machen der Schattenseiten der Modeindustrie und gleichzeitiges Fördern nachhaltig und fair produzierter Kleidung.
So findet in Berlin im Zeitraum der Fashion Week zweimal jährlich die Neonyt Messe statt, die zunehmend an Bedeutung gewinnt und in den letzten Jahren Besucherrekorde verzeichnete.
Dort stellen Designer und Produzenten ihre Produkte vor und Presse und Einkäufer können mit ihnen in Kontakt treten.
Natürlich ist fair produzierte Mode teurer, deshalb kaufe ich mittlerweile weniger und ausgesuchter und neben dem guten Gefühl einen fairen Preis bezahlt zu haben, bekomme ich auch mehr Qualität geliefert und freue mich wenn eine Hose mehrere Winter übersteht, was eigentlich mal selbstverständlich war.
Da ich persönlich zwar Lieblingsstücke habe, die mir lange nicht öde werden, aber trotzdem auf Abwechslung im Kleiderschrank stehe, kaufe ich nach wie vor gerne Second-Hand.
Entweder direkt in ausgesuchten Läden in Berlin, Wien, München oder online auf Foren wie Kleiderkreisel wo ich gezielt suchen kann, was ich möchte.
Meine Kleidung verkaufe ich entweder auf dem Flohmarkt oder auch online.
Wir müssen ein neues Konsumverständnis entwickeln und wegkommen vom:
Mehr! Mehr! Mehr!
Und aufhören zu glauben, dass Konsum das Allheilmittel zur Glückseligkeit sei.
Stattdessen: Hinschauen. Zuhören. Mitfühlen. Helfen. Lachen. Lieben.
Fotos: IHeartBerlin
Kleid: Folkdays
Schuhe aus Ananasleder: Po-Zu Sustainable Footwear

